Selbstverständnis

(English Version below)

Vom 9. bis 11. Mai 2025 organisieren wir in Berlin-Kreuzberg zum zweiten Mal eine Feministische Buchmesse. Hier erklären wir kurz warum wir das machen, wer wir sind und wovon wir eigentlich sprechen, wenn wir „Feminismus“ sagen:

Warum eine feministische Buchmesse? 

Von der Feministischen Buchmesse erhoffen wir uns einen Moment der Ermutigung, der Diskussion und der Organisation. Sich aus feministischer Perspektive gegen Staatlichkeit und Kapitalismus zu wehren und andere Formen von Beziehungen zu knüpfen, ist ein unüberschaubar großes und herausforderndes Projekt. Angesichts der großen Lücke in unseren Leben, die dort klafft wo eine feministische Bewegung uns stärken und tragen sollte, wirkt dieses Projekt in Deutschland im Jahr 2024 (und leider auch noch 2025) in jeder Hinsicht utopisch. Wir hoffen Ihr habt Lust, die Feministische Buchmesse als Ort zu nutzen, Euch mitzuteilen und anderen zuzuhören. Und natürlich wollen wir, zusammen͜͜͜-spannende Bücher entdecken, die uns inspirieren, bilden und stärken.

Aber gab’s das nicht schon?

Bücher sind und waren ein zentrales Medium für linke und für feministische Bewegungen. Linksradikale oder anarchistische Buchmessen fanden und finden in vielen Städten im deutschsprachigen Raum statt. In Berlin blicken die Linken Buchtage auf eine nunmehr 20-jährige Geschichte zurück, die BücherFrauen, als Netzwerk von Frauen in der Bücherbranche, schon auf eine 23jährige Geschichte. Von den BücherFrauen initiiert fand Anfang Mai 2023 die erste Feministische Buchwoche statt. Queeres Verlegen, nannte sich die feministische Buchmesse, die in den Jahren 2015-2019 in Berlin stattfand. Dass sich Literatur, Theorie und Fragen rund ums Verlegen nicht nur auf das Format Buch beschränken, zeigen die Queeren Zinefeste, die seit 2017 jedes Jahr in Berlin, aber auch anderen Städten, stattfinden. Während wir mit der Organisation dieser Messe begannen, feierte im Frühjahr 2023 in Hamburg, die Performative Buchmesse ihre Premiere, bei der mit neuen Formaten experimentiert und wichtige Fragen gestellt wurden – z.Bsp.:  »Wer würde was wie veröffentlichen, wenn es dazu tatsächlich freiere Zugänge gäbe? Welche politisch-progressive Schlagkraft kann im Spekulieren und Geschichtenerzählen entwickelt werden? Braucht man Literatur, um Revolution zu machen?«

Als bibliophile Feminist*innen freuen wir uns über diese Vielfalt an Veranstaltungen. Und wir haben Lust auf mehr! Lust vor allem, das bewährte Format einer Buchmesse zu nutzen, um eine revolutionäre, intersektionale und queer-inklusive feministische Perspektive zu stärken.

Auf Lesungen und in Diskussionen möchten wir, gemeinsam mit Aktivist*innen und Gruppen, Bücher vorstellen, die wir für unser Nachdenken über revolutionären Feminismus bereichernd finden. Das sind Bücher aus und für die Bewegung, Erzählungen, die in Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen entstanden sind und die uns Facetten von Erfahrungen und Kämpfen zeigen.

Der Feminismus, den wir meinen

Unser Feminismus ist revolutionär. Das heißt u.a., dass unser Feminismus die Befreiung aller Menschen von den Zwängen und der Gewalt des Patriarchats meint und dass er die Freiheit in der Auflösung des patriarchalen binären Geschlechtersystems erkennt. Wir sehen in den verschiedensten Gewalt- und Machtstrukturen, die sich gegen weibliche, feminine und queere Identitäten richten, eine patriarchale Unterwerfungslogik, gegen die wir kämpfen. Das heißt für uns auch: Feminismus muss antikapitalistisch sein.

Intersektional bedeutet für uns und im Zusammenhang mit der Buchmesse, dass wir die Vielschichtigkeit von Unterdrückungsformen anerkennen möchten. Das Patriarchat wirkt sich nicht in gleicher Weise auf unsere Leben aus. Unsere individuelle Position innerhalb einer rassistischen, antisemitischen, kapitalistischen, ableistischen und ageistischen Gesellschaft lässt uns unterschiedliche Handlungsräume. Da historisch die Perspektive eines weißen, euro-zentristischen, cis-geschlechtlichen und säkularen Feminismus als Norm über andere Positionen erhoben wurde, ist es besonders wichtig, die Vielfalt von Erfahrungen und feministischen Positionen zu betonen. Bisher marginalisierte Personen und Positionen verdienen besondere Unterstützung und Anerkennung von denen von uns, die bisher von Ausschlüssen profitiert haben. Dabei ist uns wichtig, uns als Verbündete in einem gemeinsamen feministischen Projekt zu sehen und wertzuschätzen. Dazu gehört für uns auch: trans Frauen sind Frauen und Sexarbeit ist Arbeit! Wir wollen voneinander lernen und gemeinsam kämpfen.

Aufgrund der erschreckenden Ausbreitung trans-feindlicher Aussagen, Handlungen und Organisationen, auch unter dem Label des Feminismus, möchten wir zu diesem Thema deutlich sagen: Feminismus, als anti-patriarchale Perspektive und Handlungsweise, ist für uns per se queer-inklusiv. Zwar führen cis-Frauen und gender-queere Menschen, aufgrund unserer unterschiedlichen Erfahrungen und den verschiedenen erlebten Formen patriarchaler Unterdrückung, nicht immer die gleichen Auseinandersetzungen. Doch wir teilen das Bestreben uns frei bewegen, entwickeln und ausdrücken zu können und den Wunsch, frei von Gewalt und Fremdbestimmung zu leben, ja zu überleben. Das vereint uns in unserer Gegner*innenschaft gegen die Personen und Strukturen, die uns unterdrücken, verletzen und töten. Anzunehmen, dass unsere Kämpfe um Emanzipation sich gegenseitig ausschließen, behindern oder untergraben, vergisst, wo und bei wem das eigentliche Problem liegt. Wer gender-queeren Menschen ihre Identität und Existenz abspricht, reproduziert selbst menschenfeindliche und patriarchale Denk- und Handlungsweisen.

Auf der Buchmesse sind transfeindliche Aussagen und Handlungen daher nicht toleriert. Gleichzeitig wollen wir auch niemandem, aufgrund von Aussehen oder Alter eine transfeindliche Haltung unterstellen. Den Personen, die seit Jahrzehnten in Frauen- und Lesbenzusammenhängen antipatriarchale Kämpfe führen, sind wir in Wertschätzung und Dankbarkeit verbunden.

Disclaimer: Verlage und Projekte werden eingeladen, weil sie bereichernde Arbeit für eine feministische Bewegung leisten. Während die in Lesungen vorgestellten Bücher sorgsam ausgewählt werden, können wir es im Orga-Team nicht leisten, die Auswahl der ausgelegten Bücher zu kuratieren. Daher vertrauen wir darauf, dass die Verlage die Buchauswahl an ihren Ständen im Sinne der Messe auswählen.

Wer wir sind

Durch unsere jeweiligen Lebensgeschichten und unsere von Geschlecht, Gesundheit, race, Geburtsort, sozio-ökonomischen Hintergrund sowie vielem mehr geprägten körperlichen und sozialen Erfahrungen prägen unsere Sicht auf die Welt. Sie bringen uns dazu Dinge unterschiedlich wahrzunehmen und setzen Grenzen für das, was wir spüren und verstehen können. Auch die Buchmesse wird also durch unsere persönlichen Lebenserfahrungen geprägt werden. Deshalb hier in paar Worte dazu, wer wir sind und wo wir herkommen:

Im Orga-Team sind wir queere nicht-binäre und cis-weibliche Feminist*innen, die sich zusammengetan haben, um die Messe als Raum zu schaffen, in dem verschiedene Perspektiven sich begegnen können. Da sich unsere gesellschaftlichen Positionen und damit zusammenhängende Erfahrungen in manchen Punkten sehr ähnlich sind (z.B. sind wir mehrheitlich weiß und überwiegend in einer vorwiegend weißen und deutschsprachigen, großstädtischen linken Szene politisiert), sind wir bemüht in den Prozess möglichst viele weitere Personen einzubinden. Insbesondere inhaltliche Fragen in Bezug auf die Ausrichtung und die Themenschwerpunkte diskutieren wir in größeren (FLINTA*-only) Runden. Hier sind Personen beteiligt, die auf verschiedene Weise feministisch in der Buchbranche engagiert sind. Für Feedback, Austausch und Mitarbeit sind wir immer dankbar und erreichbar unter febumebe@riseup.net.

Self-conception

From 9 to 11 May 2025, we are organizing a feminist book fair in Berlin-Kreuzberg for the second time. Here we briefly explain why we are doing this, who we are and what we are actually talking about when we say “feminism”:

Why a feminist book fair?
We hope that the Feminist Book Fair will be an instance of encouragement, discussion and organization. Resisting statehood and capitalism from a feminist perspective and forging other forms of relationships is an unmanageably large and challenging project. Given the huge gap in our lives where a feminist movement should strengthen and sustain us, this project in Germany in 2024 (and unfortunately still in 2025) seems utopian in every respect. We hope you feel like using the Feminist Book Fair as a place to communicate and listen to others. And of course we want to discover exciting books together that inspire, educate and empower us.

But didn’t that already exist?

Books are and have always been a central medium for left-wing and feminist movements. Left-wing radical or anarchist book fairs were and are held in many cities in German-speaking countries. In Berlin, the Left Book Days can now look back on a 20-year history, while BücherFrauen, a network of women in the book industry, can already look back on a 23-year history. Initiated by BücherFrauen, the first Feminist Book Week took place at the beginning of May 2023. Queer Publishing was the name of the feminist book fair that took place in Berlin from 2015-2019. The Queer Zinefest, which has been taking place in Berlin and other cities every year since 2017, shows that literature, theory and publishing issues are not limited to the book format. While we started organizing this fair, the Performative Book Fair celebrated its premiere in Hamburg in spring 2023, experimenting with new formats and asking important questions – e.g.: „Who would publish what and how if there were actually freer access to it? What political-progressive clout can be developed in speculation and storytelling? Do we need literature to make a revolution?“
As bibliophile feminists, we are delighted about this variety of events. And we want more! Above all, we want to use the proven format of a book fair to strengthen a revolutionary, intersectional and queer-inclusive feminist perspective.
At readings and in discussions, together with activists and groups, we want to present books that we find enriching for our thinking about revolutionary feminism. These are books from and for the movement, stories that have been written in confrontation with patriarchal structures and that show us facets of experiences and struggles.

The feminism we mean

Our feminism is revolutionary. This means, among other things, that our feminism means the liberation of all people from the constraints and violence of patriarchy and that it recognizes freedom in the dissolution of the patriarchal binary gender system. We see a patriarchal logic of subjugation in the various structures of violence and power that are directed against female, feminine and queer identities, which we are fighting against. For us, this also means that feminism must be anti-capitalist.
For us and in the context of the book fair, intersectional means that we want to recognize the complexity of forms of oppression. Patriarchy does not affect our lives in the same way. Our individual position within a racist, anti-Semitic, capitalist, ableist and ageist society leaves us different spaces for action. Since historically the perspective of a white, Eurocentric, cisgender and secular feminism has been elevated as the norm over other positions, it is especially important to emphasize the diversity of experiences and feminist positions. Marginalized people and positions deserve special support and recognition from those of us who have previously benefited from their exclusion. It is important for us to see and value ourselves as allies in a common feminist project. For us, this also includes: trans women are women and sex work is work! We want to learn from each other and fight together.
Due to the alarming spread of trans-hostile statements, actions and organizations, also under the label of feminism, we would like to make ourselves clear on this topic: feminism, as an anti-patriarchal perspective and way of acting, is per se queer-inclusive for us. It is true that cis women and gender-queer people do not always have the same arguments due to our different experiences and the various forms of patriarchal oppression we have experienced. But we share the desire to be able to move, develop and express ourselves freely and the desire to live, and even survive, free from violence and heteronomy. This unites us in our opposition to the people and structures that oppress, hurt and kill us. To assume that our struggles for emancipation are mutually exclusive, obstructive or undermining, forgets where and with whom the real problem lies. Those who deny gender-queer people their identity and existence are themselves reproducing misanthropic and patriarchal ways of thinking and acting.
Trans-hostile statements and actions are therefore not tolerated at the book fair. At the same time, we do not want to accuse anyone of having a trans-hostile attitude based on their appearance or age. We appreciate and are grateful to the people who have been leading anti-patriarchal struggles in women’s and lesbian communities for decades.

Disclaimer: Publishers and projects are invited because they do enriching work for a feminist movement. While the books presented in readings are carefully selected, we in the organizing team cannot afford to curate the selection of books on display. We therefore trust that the publishers will select the books at their stands in the spirit of the fair.

Who we are

Our respective life stories and our physical and social experiences shaped by gender, health, race, place of birth, socio-economic background and much more shape our view of the world. They make us perceive things differently and set limits to what we can feel and understand. The book fair will therefore also be shaped by our personal life experiences. So here are a few words about who we are and where we come from:
In the organizing team, we are queer non-binary and cis-female feminists who have come together to create the fair as a space where different perspectives can meet. Since our social positions and related experiences are very similar in some respects (e.g. we are mostly white and predominantly politicized in a predominantly white and German-speaking, metropolitan left-wing scene), we try to involve as many other people as possible in the process. In particular, we discuss content-related questions regarding the orientation and the main topics in larger (FLINTA*-only) rounds. This involves people who are involved in the book industry in various feminist ways. We are always grateful for feedback, exchange and collaboration and can be contacted at febumebe@riseup.net.

 

(English Version below)